Wie gehen eigentlich unsere Nachbarn in Dänemark mit der Digitalisierung um? Welche Experimente werden dort in Kultureinrichtungen unternommen, um Besucher zu informieren, zu unterhalten oder um diese an die Institutionen zu binden? Werden dort vielleicht andere, effektivere digitale Mittel eingesetzt, als in Deutschland? Um solchen Fragen nach zu gehen, habe ich mir vorgenommen, mal einige der prominenteren Museen in Kopenhagen zu besuchen, um meine Vorurteile (Dänen sind innovativ) zu hinterfragen.
Das dänische Nationalmuseum in Kopenhagen scheint mir schon beim Eintreten als vibrierender, lebendiger Ort. Dort, wo man die Tickets erwirbt (eine Empfehlung: die Copenhagen-Card ermöglicht freien Eintritt in alle Museen und Sehenswürdigkeiten sowie den freien Gebrauch aller öffentlichen Verkehrsmittel), tummeln sich Gruppen von Kindern und der Counter ist gleichzeitig auch Ort für Workshops und somit ein Ort intensiver Interaktionen.

Das Museum selbst präsentiert archäologische Funde der dänischen Vor- und Frühgeschichte, präsentiert Highlights aus Mittelalter und Renaissance und erzählt die „Stories of Denmark 1660-2002“.
Es zielt mit einer umfassenden Ausstellung über Spielzeug und Kindheit tief in die gesellschaftlichen Veränderungen der Gegenwart. Die These dort: die Kindheit verschwindet – was bedeutet das für die Gesellschaft und unsere Welt? Das ist spannend, das ist relevant – aber werden solche Themen auch digital vermittelt?

Das Leitsystem und die Besucherinformation sind effektiv – es bleibt trotz der Fülle einfach sich zu orientieren, allenfalls in den ausladenden Vertiefungsebenen der ausführlichen Überblicksausstellungen brauche ich hin und wieder den Blick auf den Lageplan, um mich zu vergewissern, ob meine Richtung noch stimmt.
Mit dem Blick auf digitale Vermittlungsstrategien sieht es dann allerdings mau aus: von vereinzelten Medienstationen einmal abgesehen ist hier so gut wie nichts digital. Sicher bietet die Webseite alle Standardinformationen zur Vorbereitung des Museumsbesuches und eine eigene Sektion „All about Vikings“, durch die man vertiefende, themenspezifische Informationen abrufen kann – aber es gibt hier sonst keine digitalen Angebote, die den eigentlichen Museumsbesuch begleiten würden: keine App, kein digitales Storytelling oder andere spielerischen Interaktionen, die sich doch anbieten würden.

Die digitale Onlinesammlung scheint auch eher aus der Zeit gefallen – jedenfalls wirkt es, als wären die einzelnen Abteilungen (Wanddekoration, Photographie, Runen etc.) in unterschiedlichen Zeiten entwickelt worden und als könnten sie einen einheitlichen Anstrich vertragen. Der Fokus des Museums liegt -im Museum- also eindeutig auf den physischen Objekten und der unmittelbaren Interaktion. Diese stark an Familien und Kindern orientierte Vermittlungsform funktioniert offenbar gut, digitale Experimente werden dort gemacht, wo die Themen es nahelegen – so zum Beispiel in der Ausstellung „Cosplayers“, in der es um Kostümierung und Manga geht und in der Besucherinnen sich verkleiden und in einer Photobox Selfies schießen können.

Aber das dänische Nationalmuseum ist sozial gut vernetzt. Wer mag kann dem Museum auf facebook, google+ oder flickr folgen, auf Twitter in Kontakt treten, oder die Pinterest Sammlungen ansehen. Hier haben die Museumsbetreiber fast nichts ausgelassen, aber es wäre ein anderes Thema, die Struktur dieser Angebote einmal anzusehen und zu vergleichen, wer durch welchen Kanal eigentlich erreicht wird, bzw. welche Inhalte dort vermittelt werden.
Die Glyptothek genießt einen hervorragenden Ruf, das drückt sich nicht nur durch ein Top-Ranking bei Tripadvisor aus, sondern sie taucht beinahe auf allen Seiten auf, die sich mit Sehenswürdigkeiten in Kopenhagen auseinander setzen. Das Gebäude allein ist schon einen Besuch wert, vor allem wegen des ausgedehnten Innenhofs mit Museumscafé, Atrium und reicher, tropischer Bepflanzung.

Die Glyptothek beherbergt eine Reihe von eindrucksvollen Skulptursammlungen – u.a. römische, ägyptische und mediterrane Sammlung, aber auch Highlights dänischer und französischer Herkunft. Hier findet sich die größte Rodinsammlung außerhalb Frankreichs und bisweilen kommt es einem so vor, als würde man durchs Musee Rodin flanieren. Allerdings scheinen die Werke hier (mit Absicht?) manchmal eher wie in einem Depot abgestellt, statt wirkungsvoll inszeniert.

Wer die Webseite der Glyptothek besucht hat, wundert sich im Museum dann darüber, wie wenig hier digital ist. Die Objekte stehen und schweigen für sich selbst, die Präsentation ist im besten Sinne klassisch museal. Eine Ausnahme ist die Ausstellung High on Luxury. Lost Treasures from the Roman Empire, die den Fund eines römischen Silberschatzes durch einen Bauern im französischen Rennes thematisiert.

Beeindruckend ist hier neben den spektakulären Objekten und der stimmungsvollen Präsentation der Umgang mit dem Storytelling. Besucher können eine Audioführung ausleihen und einer etwa 20 minütigen Phantasiereise in die Zeit Trimalchos folgen, einer Erzählung, die sich mutig von der historischen Faktenlage emanzipiert und dennoch mehr mitreisst und begeistert, als so manch wissenschaftlich korrekte und gut recherchierte Audioguide.

Von diesem isolierten Element und ein paar iPad-Vertiefungsstationen einmal abgesehen gibt es wenig Digitales – keine App und auch auf der Webseite (außer dem obligatorischen facebook und Instagram-Icon) kaum einen Hinweis auf digitale Angebote. Die digitalen Geräte, die Besucher ins Museum tragen und mit denen sie an jeder Ecke Selfies schießen, werden nicht in den Museumsbesuch einbezogen. Besonders ärgerlich ist so etwas an den Stellen, an denen es keine englischen Übersetzungen der dänischen Ausstellungstexte und -labels gibt. Hier wäre der Umweg über die Mobilgeräte naheliegend, um wenigstens die Sprachbarriere zu überwinden. Der Besucher, der dann (ohne Audioguide) vor den „Bürgern von Calais“, oder den Danaiden steht, wäre für ein mobiles Angebot, einen QR-Code etc. sehr dankbar. Das gibt es aber nicht und so bleibt einem beim „Denker“ von Rodin nur der Gedanke, dass das Wissen um so ikonische Werke wohl vorausgesetzt werden muss.

Ob das dann aber die Botschaft ist, die eine solche Institution vermitteln sollte, steht auf einem anderen Blatt. Es bleibt das schale Gefühl, dass die modern wirkende Webseite nur die Aura der Modernität vermitteln soll, die Vorteile der interaktiven Möglichkeiten, die die digitale Technologie eröffnet, aber noch nicht wirklich erkannt wurden.

Wer als Kontrastprogramm zum kulturellen Ausflug dann einmal das Kopenhagen Aquarium (Den Bla Planet) besucht, wird überrascht. Zwar wird hier ebenfalls niemand digital erschlagen, die ausgestellte Natur steht klar im Zentrum, aber der Besuch des Hauses wird durch geschickten Medieneinsatz gut unterstützt. Vor allem die App, die hier vor Ort heruntergeladen werden kann, bietet einen echten Mehrwert während des Aufenthalts und erleichtert die Orientierung. Der Besucher erhält einen Überblick, kann sich leichter orientieren und es gibt reiches Vertiefungsmaterial, so dass die App auch über den Aquariumsbesuch hinaus wirkt. Über die Webseite können Tickets erworben werden, man bekommt einen hervorragenden Eindruck davon, was einen vor Ort erwartet, und warum sich ein Besuch lohnt und es werden zahlreiche Fragen und Aspekte spezifischer Besuchergruppen (Schulklassen, Besucher mit Rollstuhl, Wartezeiten, Sneak Preview) beantwortet. Auch auf Special Events (wie „Diving with Sharks“, Kindergeburtstage) wird hingewiesen und die Möglichkeit von Vermietungen und Veranstaltungsorganisation für Firmen und kommerzielle Nutzer wird erklärt. Besonders die Sektion „Our animals“ lädt zum Verweilen und Stöbern ein.

Als Fazit also – es ist das Aquarium Kopenhagen ist zwar kein Museum, aber in der Orientierung am Besucher macht diese kulturelle Institution etwas vor, von dem (nicht nur) die Museen in Kopenhagen etwas lernen können: sie bietet einen echten digitalen Mehrwert und öffnet auf spielerische Art und Weise die Tür zur vertieften Besucherbindung, lange über den eigentlichen Besuch hinaus. Dass digitale Interaktion aber auch ohne Informationsvermittlung, als rein spielerische Interaktion einen Sinn haben kann, zeigt die interaktive Wand im Aquarium, bei der Kinder mit wunderschönen, von ozeanischen Kleinstlebewesen abstrahierten Formen, spielen können.

Man versucht die Strukturen zu fangen, sie weichen, als hätte man versucht sie in Wirklichkeit zu fangen. Sie fliehen in alle Richtungen. So einfach kann Interaktion sein, so funktioniert Immersion. Der Bla Planet lädt zum Entdecken ein, ganz unverkrampft und im Dienst des eigenen Auftrags, für die Natur und ihre Vielfalt neugierig zu machen, um diese zu schützen. Das könnte auch andere Museen inspirieren.
Vielen Dank für diesen Beitrag. Spannend zu sehen, wie andere Museen/Einrichtungen ganz konkret vermitteln und Digitales nutzen oder eben auch nicht. Viele Grüße aus dem smac
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Gruß zurück! Ins smac habe ich es leider noch nicht geschafft, aber sicher bald…
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tobeck – schön dich hier zu sehen! magst nicht einmal die wiener Museen unter die lupe nehmen??? quartier hättest du schon! lg, johanna
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Hey Joana, super Idee! Sorry für späte Antwort… Welche Museen kommen denn in Frage?
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