Der digitale Wandel im Museum will gesteuert werden – so lautet das oft wiederholte Mantra in der gegenwärtigen Debatte um die zukünftige Rolle der Museen, die sich angesichts gegenwärtiger Herausforderungen neu aufstellen sollen. Ganz passgenau ist daher das Thema der Focus Museum 2018 Tagung das „Change Management in Museen“. Aber von welchem Wandel sprechen wir eigentlich, wenn wir von Change Management im Museum sprechen und ist dieser Wandel überhaupt etwas Neues? Welche Fragen sollten behandelt werden und mit welchen Mitteln der Beratung wäre denn Museen, die auf der Suche nach einer Neuausrichtung sind, geholfen? Gibt es überhaupt einen Bedarf an Change Management im Museum und falls ja, welche Mittel aus der Toolbox des Change Management sollten am besten angewendet werden?

Solche Fragen werden auf das Podium des Brandenburger Archäologischen Landesmuseum getragen und das angereiste Publikum wartet hoffnungsfroh auf Antworten. Prof. Oliver Rump von der Hochschule für Technik und Wirtschaft übernimmt in seinem Eröffnungsvortrag die Aufgabe, das Thema in der Breite zu verorten. Das tut er mit Charme und der notwendigen Klarheit, skizziert das Museum als offenes, umfeldabhängiges System und erwähnt Instrumente wie die Swot Analyse oder die Balanced Scorecard, die aber im Publikum wohl auch nicht jeder auf Anhieb einzuordnen weiss. Der Experte beschreibt dann die Ursachen, die Change Management erst nötig machen – die sogenannten Internen und Externen Treiber, die Umbrüche in der Gesellschaft und beschreibt dann die Ängste, die mit Veränderungen einher gehen. Es sei wichtig, so Rump, den richtigen Zeitpunkt für Veränderungen zu erkennen und ein Museum müsse eben auch immer alle seine Stakeholder im Blick haben. Soweit so gut. Die Einführung entsprechender Maßnahmen könne aber durchaus unterschiedlich angegangen werden, entweder mit der sogenannten „Bombentechnik“, also der revolutionären Einführung von Maßnahmen „top down“, oder der – weit sanfteren und wohl auch beliebteren – demokratischen Einführung von Maßnahmen und einem eher evolutionären Wandel. Lachen im Publikum.

Rump setzt hinzu, dass er aus seiner Tätigkeit als Museumsdirektor selbst die Erfahrung gemacht habe, dass nicht immer ausschließlich nur eine der beiden Varianten zum Erfolg führe und legt dar, welche Faktoren über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Unklare Ziele führten zum Misserfolg, klare Vision zum Erfolg – das klingt beinahe nach einem Einführungskurs in das Projektmanagement und so verhält es sich auch in vielerlei Hinsicht. Die Maßnahmen des Change Management greifen eben tief in die Steuerung der Institutionen hinein und solange keine konkreten Beispiele erklärt werden, bleibt vieles unübersichtlich, vage und allgemein.
Das gilt dann auch für Michaela Conens anschließenden Vortrag, der sich in vielerlei Hinsicht (ungewollt) mit dem Vortrag ihres Vorgängers, Prof. Rump, deckt. Frau Conen referiert über Change Management und das „Museum im Allgemeinen“, um welche Herausforderungen im Speziellen es sich handelt, bleibt in ihrem Vortrag aber offen. „Veränderungen brauchen Zeit – Planung – Geduld – Nachhaltigkeit“, solche Allgemeinplätze sind vielleicht mehrheitsfähig, aber beantworten kaum Fragen.
Zwar soll die Balanced Scorecard als spezielles Instrument in diesem Vortrag im Fokus stehen, doch wird das Thema erst ganz am Ende kurz erwähnt und bleibt weitgehend unverständlich. Prompt kommt dann auch die Nachfrage aus dem Publikum, wie denn die Erfahrungen mit der Scorecard in der Praxis gewesen seien. Die Gefahr sei, so Conen, dass „wir“ uns „im operativen Prozess“ zu schnell von der Vision verabschiedeten und daher Gefahr liefen, das Ziel aus den Augen zu verlieren. Also, wir fassen zusammen: Change Management soll dabei helfen, die Ziele des Museums klar zu definieren und nicht aus den Augen zu verlieren? So einfach kann es doch nicht sein.

Die Geschichte vom Umgang mit dem Wandel kann aber auch ganz anders erzählt werden. Das zeigt Anna Brandes (www.waldlichtung.com). „Keine Angst vor Monstern“ ist ihr Credo und sofort hat sie das Publikum im Bann. Das ist vor allem zweierlei geschuldet: Anna Brandes erzählt eine emotionale Geschichte, nämlich die Geschichte ihres eigenen Wandels, die Geschichte der Brüche in ihrer eigenen Biographie. Sie erzählt von Zweifeln und Ängsten und ihrem Umgang damit. Von einer Reise nach Slowenien und der Begegnung mit den Geräuschen und Tieren in der Dunkelheit des Waldes, die Berührung mit den Urängsten. Daraus leitet sie die interessante Frage ab, ob die Probleme, die uns solche Angst machen, denn auch wirklich gefährlich seien.
Probleme sind vorhanden. Das Klima wandelt sich, die Welt wird von Terror bedroht, neue Technologien ändern die Art in der wir kommunizieren oder uns fortbewegen, Migrationsströme schaffen Unsicherheit und Ängste, die Märkte geraten ins Wanken und so weiter. Die Frage, die sich laut Brandes nun stellt, ist, wie wir damit umgehen. Als zentrale Ressource zitiert sie dann – ganz fassbar und lebensnah – die eigene Haltung. „Sind wir veränderungsfähig? Bin ich veränderungsbereit? Habe ich den Mut neue Wege zu gehen?“ sind einige Fragen, die sie stellt und so einfach es klingt, so viel Wahrheit schwingt doch mit. Denn was der Debatte um das Change Management im Grunde fehlt, ist nicht so sehr ein Bewusstsein darüber, welche Ängste der Wandel auslöst, sondern der Blick darauf, wohin wir (i.d. Fall die Museen) den Wandel eigentlich steuern wollen. Worin die einzigartige Chance besteht und wie sich eine kraftvolle Vision entwickeln lässt, für die es sich lohnt zu kämpfen. Anders herum: Wie satt und bequem muss man sein, wenn jede Veränderung von außen nur noch als Bedrohung verstanden wird? Es geht darum – und damit bin ich wieder bei Frau Brandes Vortrag – sich gedanklich auf die Zukunft einzuspielen, sie gestalten zu wollen. Oder ganz einfach: „Wenn Krisen notwendig für Entwicklung betrachtet werden, dann gewinne ich.“ Ich ertappe mich bei dem Gedanken: „Vielleicht braucht es ab und an einfach jemanden, der nicht im Museum arbeitet, um solche einfachen, aber lebensnahen Weisheiten zu verkünden?“

Sabine Jank von Szenum wirbt anschließend dafür, das Museum stärker auf die Bedürfnisse der Besucher abzustimmen. Die traditionellen Museumsaufgaben würden sich verändern und was oft aus dem Blick gerate, sei die Frage nach dem „Why?“ – dem „Warum“ wir etwas tun. Würde diese Frage ausreichend genau beantwortet, würde das Museum auch eine klarere Agenda haben. Also (und um das einmal weiter zu denken): Wofür kämpfen Museen? Wofür stehen sie heute? Was wollen sie bewegen, welchen Beitrag zur gesellschaftlichen Entwicklung leisten? Wo werden diese Fragen zur Zeit gestellt? Welche Antworten werden gegeben?
Frau Jank spricht aus Erfahrung und dem Zuhörer wird auch schnell klar, wie breit das Themenfeld ist, das potentiell unter dem Schlagwort Change Management bearbeitet werden kann. Das schließt die Leitung der Museen ebenso ein, wie der Umgang mit jedem einzelnen Mitarbeiter, das lebenslange Lernen, die digitale Ertüchtigung, genauso wie den Umbau von Organisationsstrukturen und den Dialog unter Kolleginnen und Kollegen. Daher – das ist Sabine Jank’s implizite Botschaft – gibt es sicher keine Pauschallösungen, sondern jede Institution und jede Maßnahme müsse einzeln geplant werden und dafür gebe es keine Schubladen- oder Paketlösung, sondern nur einen jeweils individuell angepassten und erarbeiteten Ansatz.
Am Ende sei das Ziel, das Flow-Prinzip zu ermöglichen – das richtige Maß an Agilität zu finden, denn ohne Veränderung gibt es Stagnation und Langeweile in der Institution, aber zu krasse Veränderung würde zu Überforderung, Stress und Frust führen. Da mag nun wirklich niemand mehr widersprechen.
Für die Planung des digitalen Wandels in Museen mögen solche Einschätzungen nicht falsch sein. Sicher würde mancher sich ein „framework“ wünschen, das alle Fragen der digitalen Strategie hinlänglich beantwortet, wahrscheinlicher ist es aber aus allerlei pragmatischen Erwägungen heraus, dass es vorerst einzelne digitale Maßnahmen sind, die gut geplant und auf ihre Durchsetzbarkeit hin geprüft werden müssen. Kaum eine Institution kann aus eigener Kraft schlagartig einen revolutionären Wandel von offline zu online durchlaufen, doch ein solches Szenario spiegelt die Realitäten des sogenannten „digitalen Wandels“ auch nicht wieder, der doch – aus vielerlei Gründen – eher evolutionäre Züge trägt. Ob die dann allerdings auch zwingend demokratisch durchgesetzt werden, steht auf einem anderen Blatt. Für die Veranstaltung in Brandenburg darf man aber feststellen, dass die Frage nach der Gestaltung dieses Wandels zum richtigen Zeitpunkt kommt. Das wird dem Besucher dann umso klarer, wenn er den Konferenzort einmal verlässt und den Weg durch die Dauerausstellung des Museums geht. Da stellen sich ganz viele Fragen im Blick auf den digitalen Wandel. Das allerdings war nicht Gegenstand der Tagung.
„Sei gut zu deinem inneren Monster!“ sagte Frau Brandes noch am Ende ihres Vortrags. Ein Rat an den wir uns gern halten.
